Aktuelles
SVHC steht für „Substances of Very High Concern“, also besonders besorgniserregende Stoffe. Diese stehen im Verdacht, besonders negative und langanhaltende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt zu haben. SVHC Stoffe werden auf der sogenannten REACH Kandidatenliste bzw. SVHC Liste bekanntgegeben. Wird ein solcher Stoff verwendet oder wird er in Gemischen und Erzeugnissen genutzt, ergeben sich für Hersteller und Lieferanten weitreichende Informationspflichten sowie ein Auskunftsanspruch für nachgeschaltete Anwender und Verbraucher.
Erfahren Sie im folgenden Artikel unter anderem:
Die Kandidatenliste hat viele Namen, unter denen sie im Bereich EHS-Management bekannt ist. Dazu zählen:
All diese Begriffe meinen das gleiche: Eine Liste der Stoffe und Stoffgruppen, die im Rahmen der REACH-Verordnung in der Europäischen Union als besonders besorgniserregend identifiziert wurden. Aktuell (Stand: 1. Juli 2025) sind 250 Stoffe bzw. Stoffgruppen in der REACH Kandidatenliste aufgeführt. Auf der Website der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) können Sie die aktuell gültige Fassung der SVHC Liste abrufen. Auch das Netzwerk REACH@Baden-Württemberg stellt die aktuelle Liste der relevanten SVHC (inkl. Verwendungen) zur Verfügung.
Die REACH-Verordnung verfolgt unter anderem das Ziel, den Einsatz von besonders besorgniserregenden Stoffen (SVHC) in der EU zu regulieren und schrittweise durch weniger gefährliche Alternativen zu ersetzen. Die Kandidatenliste dient in diesem Zusammenhang als zentrales Instrument zur Identifikation und öffentlichen Kommunikation dieser Stoffe – sie macht das regulatorische Risiko sichtbar und unterstützt Unternehmen bei der Bewertung potenziell betroffener Produkte.
Gleichzeitig markiert die Aufnahme eines Stoffes auf die REACH Kandidatenliste auch den möglichen Einstieg in ein Zulassungsverfahren. Mehr dazu erfahren Sie im Abschnitt zum Zulassungsverfahren.
Zweimal im Jahr – in der Regel im Januar und im Juni/Juli – werden neue besonders besorgniserregende Stoffe in die REACH Kandidatenliste aufgenommen. Das Verfahren zur Aufnahme ist aufwendig. Es beginnt damit, dass ein EU-Mitgliedsstaat oder die ECHA in einem sogenannten „Anhang XV Dossier“ einen Stoff einreicht, der die Kriterien für SVHC-Stoffe in ihren Augen erfüllt. In diesem Dossier ist der exakte Stoff bzw. die Stoffgruppe mit Informationen zu schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt sowie zu Expositionen, Ersatzstoffen, Risiken sowie ggf. die EG- und die CAS-Nummer für diesen Stoff aufgeführt.
Es folgt ein Kommentierungs- und Konsultationsverfahren, in dem sich die anderen EU-Mitgliedsstaaten zu den eingereichten Dossiers mit den identifizierten Stoffen äußern können. Gibt es keine Anmerkungen, wird der Stoff in die SVHC Liste aufgenommen. Sollte es Anmerkungen geben, werden die betroffenen Dossiers an das Mitgliedsstaaten-Komitee (MSC) weitergeleitet, das sich in einer Versammlung oder schriftlich zu den Stoffen äußert. Wenn das MSC mehrheitlich bestätigt, dass ein Stoff die Kriterien eines SVHC Stoffes erfüllt, wird er in die SVHC Liste aufgenommen. Somit gilt dieser Stoff als Kandidat für die letztendliche Aufnahme in Anhang XIV der REACH Verordnung – also in die Liste der zulassungspflichtigen Stoffe.
Laut Artikel 57 a–f der REACH Verordnung gibt es folgende Gründe für die Aufnahme eines Stoffes auf die REACH Kandidatenliste:
In diesem Zusammenhang ist auch manchmal die Rede von sogenannten „KMR Stoffen“. KMR Stoffe sind krebserzeugende, keimzellmutagene und reproduktionstoxische Stoffe – also Stoffe, die Krebs auslösen, Erbgutveränderungen hervorrufen, die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen können. Der Begriff leitet sich vom englischen Begriff „CMR“ (cancerogen, mutagen, reprotoxic) ab. KMR Stoffe sind Teil des SVHC Stoff-Spektrums, da sie langfristige schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit haben können.
Die Kandidatenliste enthält inzwischen über 250 Stoffe und Stoffgruppen – darunter zahlreiche Substanzen, die auch in der Kosmetik-, Duftstoff-, Reinigungsmittel- oder Chemieindustrie Verwendung finden. Nachfolgend einige Beispiele für Stoffe, die aufgrund ihrer gefährlichen Eigenschaften als besonders besorgniserregend eingestuft wurden:
Stoff-Bezeichnung | CAS | EG-Nummer | Grund |
Bis(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) | 117-81-7 | 204-211-0 | Ein weit verbreiteter Weichmacher, eingestuft als reproduktionstoxisch (Kategorie 1B). Kritisch bei einem Gehalt von über 0,1 % in Kunststoffen, Verpackungen und Kabelisolierungen. |
Tris(2-chlorethyl)phosphat (TCEP) | 115-96-8 | 204-118-5 | Ein häufig eingesetztes Flammschutzmittel, aufgenommen wegen seiner karcinogenen und reproduktionstoxischen Eigenschaften sowie seiner endokrinen Wirkung beim Menschen. |
4-Nonylphenol (verzweigt/linear) | 84852-15-3 | 284-325-5 | Dieses Alkyl-Phenol wurde aufgrund seiner vPvB-Eigenschaften und endokrinen Wirkung gelistet. Die Molekülstruktur kann sowohl linear als auch verzweigt sein – relevant z. B. in Tensiden und Emulgatoren. |
Perfluorhexansulfonsäure (PFHxS) | 355-46-4 | 206-587-1 | Ein Vertreter der PFAS-Gruppe, bekannt für ihre Persistenz, Bioakkumulierbarkeit und Toxizität. Eingesetzt z. B. in Imprägnierungen oder Reinigungsmitteln. |
4-tert-Butylphenol | 98-54-4 | 202-679-0 | Verwendet in Harzen, Lacken und Duftstoffen, enthält eine phenyl- und eine butyl-Gruppe. Gelistet wegen seiner endokrinschädlichen Wirkung auf den Menschen – insbesondere relevant für die Kosmetik- und Reinigungsmittelindustrie. |
Dibutylphthalat (DBP) | 84-74-2 | 201-557-4 | Ein phthalathaltiger Weichmacher, der früher in Nagellacken, Haarpflegeprodukten und Kunststoffen verwendet wurde. Er wirkt reproduktionstoxisch (Kategorie 1B) und besitzt endokrine Eigenschaften beim Menschen. Besonders relevant für die Kosmetik- und Kunststoffindustrie. |
Diese Beispiele zeigen: Die Betroffenheit durch SVHC Stoffe ist nicht auf die chemische Grundstoffproduktion beschränkt. Auch Hersteller und Importeure von Mischungen und Erzeugnissen müssen ihre Lieferketten sorgfältig prüfen – insbesondere bei Konzentrationen über 0,1 %, bei denen eine Informationspflicht nach Artikel 33 REACH besteht.
Die Aufnahme eines Stoffes in die REACH-Kandidatenliste ist der erste Schritt in einem mehrstufigen Verfahren: Sie signalisiert, dass der Stoff ein Kandidat für eine Zulassungspflicht ist. Er kann demzufolge in ein Zulassungsverfahren überführt werden. Nach einer öffentlichen Konsultation entscheidet die Europäische Kommission, ob der Stoff in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen wird.
Eintragungen in Anhang XIV führen dazu, dass betroffene Stoffe ab einem festgelegten Ablaufdatum nur noch mit vorheriger Zulassung der EU-Kommission verwendet oder in Verkehr gebracht werden dürfen. Unternehmen müssen dann nachweisen:
Dies stellt insbesondere für Hersteller und Importeure eine Herausforderung dar.
Welche Stoffe bereits zulassungspflichtig sind und wie der Zulassungsprozess konkret abläuft, erfahren Sie auf unserer Themenseite zu REACH Anhang XIV.
Hersteller, Importeure und nachgeschaltete Anwender sind gesetzlich verpflichtet, die sichere Verwendung jeder ihrer Stoffe über den gesamten Lebensweg zu gewährleisten. Dies gilt im Besonderen für die Herstellung, den Import, die Lieferung und die Verwendung von SVHC Stoffen. Hier bestehen weitreichende Pflichten für alle Unternehmen, die einen besonders besorgniserregenden Stoff
Es handelt sich dabei um umfassende Informationspflichten und Auskunftspflichten innerhalb der Lieferkette, die ab der Veröffentlichung des Stoffes in der SVHC Liste umzusetzen sind. Die nachgeschalteten Anwender und Verbraucher müssen dann über das Vorhandensein eines SVHC Stoffes sowie über notwendige Maßnahmen zum sicheren Umgang mit dem Stoff, Gemisch oder Erzeugnis informiert werden. Dies geschieht in der Regel über das mitgelieferte Sicherheitsdatenblatt. Bei gewerblichen Abnehmern muss diese Information unaufgefordert erfolgen. Das heißt, die Sicherheitsdatenblätter müssen schnellstmöglich nach der Aufnahme des betroffenen Stoffes in die REACH Kandidatenliste angepasst und verteilt werden.
Private Abnehmer und Verbraucher besitzen ein Auskunftsrecht – die Informationspflicht gilt also auf Verlangen. Zudem besteht hier eine Frist von 45 Tagen. Wichtig: Die Auskunftspflicht gilt für die meisten Gegenstände wie z.B. Textilien, Elektrogeräte, Spielzeug, Haushaltsgegenstände oder Verpackungen. Bereiche, die speziellen Regelungen unterliegen – wie Kosmetika, Reinigungsmittel, Pflanzenschutzmittel oder Medizinprodukte – sind von dieser Auskunftspflicht ausgenommen. Wie bei anderen Gefahrstoffen wird hier ohnehin eine Gefährdungsbeurteilung sowie eine entsprechende Kennzeichnung von Gefahrstoffen vom Hersteller, Importeur oder Lieferanten vorgenommen.
Hersteller und Importeure müssen innerhalb von sechs Monaten ab Aufnahme des Stoffes in die SVHC Liste die ECHA informieren. Darüber hinaus muss die ECHA benachrichtigt werden, falls ein Erzeugnis einen besonders besorgniserregenden Stoff in Mengen von mehr als einer Tonne pro Hersteller/Importeur pro Jahr enthält. Seit dem 5. Januar 2021 ist es außerdem Pflicht, besonders besorgniserregende Stoffe in Erzeugnissen an die SCIP-Datenbank der ECHA im Rahmen der Abfallrichtlinie zu melden.
Das Umweltbundesamt rät Herstellern und Importeuren zudem, die Nutzung von besonders besorgniserregenden Stoffen zu vermeiden und Ihre Strategie zum Umgang mit diesen Stoffen aktiv an Kunden und Lieferanten zu kommunizieren.
Unsere umfassende Software ExESS® macht Ihr Gefahrstoffmanagement und die Compliance mit nationalen und internationalen Vorschriften so einfach wie nie. Die REACH Kandidatenliste ist standardmäßig als Datenbank in ExESS® enthalten und wird mit der Veröffentlichung neuer Stoffe auf der Liste alle sechs Monate aktualisiert. Dank der detaillierten Stoffdatenbanken können Sie schnell erfassen, ob und welche Ihrer Erzeugnisse und Gemische SVHC Stoffe enthalten und in welcher Konzentration diese vorliegen. Mit wenigen Klicks können Sie die Sicherheitsdatenblätter für diese Stoffe, Gemische und Erzeugnisse anpassen und verteilen. Daneben bietet unsere EHS-Software ExESS® zusammen mit unserer innovativen ComplyStation viele weitere Funktionen wie die Erstellung von Gefahrstoffetiketten und Betriebsanweisungen für Gefahrstoffe, die Vergabe und Verwaltung von UFI-Codes inklusive PCN-Meldung und die Verwaltung von Chemikalien an allen Ihren Lager-Standorten. Erfüllen Sie jetzt und zukünftig alle rechtlichen Vorgaben aus REACH, CLP und weiteren internationalen Verordnungen!
Sie möchten mehr über die Software und ihre Möglichkeiten erfahren oder Sie wünschen eine umfassende Beratung? Kontaktieren Sie die Experten in unserem Help Desk telefonisch unter +49 (0) 30 555 74 79 70 oder über unser Kontaktformular! Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.
Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) veröffentlicht die Kandidatenliste auf ihrer Website. Nutzer:innen von ExESS® erhalten automatisch Updates, sobald neue SVHC Stoffe aufgenommen werden – inklusive Such- und Abgleichfunktionen innerhalb der eigenen Produktdatenbank.
Die 0,1 %-Grenze bezieht sich auf den Massenanteil eines besonders besorgniserregenden Stoffes (SVHC) in einem einzelnen Erzeugnis. Wird dieser Schwellenwert überschritten, besteht eine Auskunftspflicht entlang der Lieferkette gemäß Artikel 33 REACH – unabhängig davon, ob das Gesamtprodukt aus mehreren Erzeugnissen besteht. Zusätzlich kann eine Meldepflicht an die SCIP-Datenbank bestehen, wenn das Erzeugnis in der EU in Verkehr gebracht wird.
Ja, sobald ein SVHC Stoff über 0,1 % in einem Erzeugnis enthalten ist, sind Importeure und Händler verpflichtet, Informationen in die SCIP-Datenbank der ECHA zu übermitteln – sofern das Erzeugnis in der EU in Verkehr gebracht wird.
Die Kandidatenliste wird in der Regel zweimal pro Jahr von der ECHA aktualisiert. ExESS® berücksichtigt diese Änderungen automatisch und stellt sie den Anwendern strukturiert zur Verfügung.
Unternehmen sollten zeitnah prüfen, ob ihre Produkte betroffen sind, und ggf. Informationspflichten umsetzen. Mit ExESS® lassen sich Änderungen effizient nachvollziehen und erforderliche Maßnahmen schnell ableiten.